Rainer Kohlmayer Zitate – Seite 5
→Transparenz, fadenscheinig. – Auf dunklen Wegen an die Macht Gekommene plädieren immer sofort für Transparenz. Sie stoßen die Leiter weg, der sie ihren Aufstieg verdanken.Rainer Kohlmayer
→Wahlkampf. – Schmunzelnd stehen glattrasierte Politiker im Blickpunkt der Öffentlichkeit und lenken den Massenverkehr in bunt ausgeschilderte Sackgassen um.Rainer Kohlmayer
→Immer der Nase nach. – „Wie kommen Sie bloß auf so verrückte Gedanken?“ – „Ich gehe ihnen nicht aus dem Weg.“Rainer Kohlmayer
→Recycling. – Vom Leichnam der großen Religionen nähren sich die fetten literarischen Maden.Rainer Kohlmayer
→Causa finita. – Wenn ein Glaube zur Staatsreligion geworden ist, braucht er keine Berge mehr zu versetzen. Er begnügt sich damit, die Geographen zu verbannen.Rainer Kohlmayer
→Bis zum Beweis des Gegenteils. – „Wenn ich allein bin, bin ich der bescheidenste Mensch“, notierte er in sein Tagebuch.Rainer Kohlmayer
→Kaltblütige Karrierekalkulation. – „Nullen, die hinter mir stehen, verzehnfachen mich. Eine Eins, die vor mir steht, dezimiert mich.“Rainer Kohlmayer
→Hallo! – Er lüftete die Perücke, wie Hutträger den Hut lüften. Dadurch wurden seine Grüße immer als besonders persönliche Zuwendung empfunden. Nur Frauen und Kinder erschraken gelegentlich.Rainer Kohlmayer
→Guter Rat an einen Misanthropen. – „Schonen Sie die Umwelt: Bleiben Sie heute zuhause.“Rainer Kohlmayer
→Cogito ergo sum auf Deutsch? – „Die Selbstreflexion des Subjekts erzeugt denknotwendig die mentale Präsenz der Existenzgewissheit des mit sich selbst identischen Subjekts.“Rainer Kohlmayer
→Nachruf auf einen Wissenschaftler. – Er verzichtete auf seine Biographie zugunsten seiner Bibliographie.Rainer Kohlmayer
→Zahlreiche Erfolge bei der Olympiade. – Statt an Kinder, Kirche, Küche denken die deutschen Frauen jetzt nur an Gold, Silber und Bronze. Sie sind anscheinend immer noch gedopt.Rainer Kohlmayer
→Die Berechenbarkeit des Nonkonformisten. – Sobald er Rückenwind spürt, wechselt er die Laufrichtung.Rainer Kohlmayer
→Konventionsverstoß. – Er warf ihm den Fehdehandschuh hin. Der andere warf ihm die Perücke vor die Füße. Ratlos blickten sie einander an.Rainer Kohlmayer
→Er drückte sich vor dem offenen ins gedruckte Wort. Wer den Druck der Welt nicht aushält, kann sich in der Welt des Druckes austoben.Rainer Kohlmayer
→Effi Briest. – „Sach mal, kannste mir vielleich sachn, also ick hab det janze Buch durchjelesn, aber – janz ehrlich – ick weeß immer noch nich, wat ‚briesen‘ bedeutet…“Rainer Kohlmayer
→Lippendienst. – Der subalterne Verwaltungsbeamte beschloß, jeden Tag wenigstens einmal zu lügen – als Lippendienst an der Freiheit.Rainer Kohlmayer
→Perspektive des Pedanten. – „Die Tasten einer einzigen Schreibmaschine genügen, die gesamte Weltliteratur zu produzieren.“ Ähnlich gehen Linguisten manchmal mit der Literatur um.Rainer Kohlmayer
→Akademische Tiefspringer. – Es gibt Theorien, die ihre Verbreitung und Beliebtheit dem Umstand verdanken, daß sie die Meßlatte nicht höher, sondern tiefer legen. Die Kurzbeinigen jubeln.Rainer Kohlmayer
→Nachruf auf Oscar Wilde. – Gib einem Menschen die Möglichkeit, sich zu verwirklichen, und er wird mit aller Gewalt danach streben, unterzugehen.Rainer Kohlmayer
→Bitte hinten anstellen. – Der Dümmere leidet, wenn er Klügeren nachgeordnet wird. Der Klügere leidet, wenn ihm Dümmere vorgesetzt werden.Rainer Kohlmayer
→Stilfigur. – „It’s nice to be important, but it’s more important to be nice.“ Eine hübsche Studentin übersetzte: „Es ist schön, wichtig zu sein, aber es ist wichtiger, schön zu sein.“Rainer Kohlmayer
→Drei Kleinigkeiten sprechen – trotz strukturalistischer und poststrukturalistischer Subjektauflösung – für die Beibehaltung eines individualistischen Subjektbegriffs. Erstens, jedes Hirn ist einmalig; zweitens, jeder Körper ist einmalig; drittens, jede Biographie ist einmalig.Rainer Kohlmayer
→Fifty-Fifty. – Das Jesuswort „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist“ wurde von den staatlichen und kirchlichen Autoritäten früherer Jahrhunderte meist so interpretiert, daß der Einzelmensch möglichst gar nichts mehr behalten sollte.Rainer Kohlmayer
→Tabu. – Das sogenannte Selbstverständliche ist die vorlaute Antwort auf Fragen, die man nicht stellen darf.Rainer Kohlmayer
→Aphorismus. – Das Stoßgebet des Atheisten. Der Geistesblitz, der eine fromme Illusion erschlägt.Rainer Kohlmayer
→Manche Bestseller ähneln Retortenbabys: Die Elternschaft ist außerordentlich unklar. Aber es steckt viel Aktivität dahinter – und die Bedürftigen stehen Schlange.Rainer Kohlmayer