Rainer Kohlmayer Zitate – Seite 4
→Kunst geht nach Brot. – In einer Zeit, wo alles dem Geld hinterher rennt, ist die Tatsache, daß die Kunst nach Brot „geht“, ein letztes Signal von Würde und Protest.Rainer Kohlmayer
→Korrektur. – Viele „Prof. Dr. phil.“ müßten eigentlich „Prof. Dr. filz“ geschrieben werden.Rainer Kohlmayer
→Der Redakteur bezeichnete seine Freundin als Wochenendbeilage: Hochglanz, anregend, unverbindlich.Rainer Kohlmayer
→Diskreter orthographischer Hinweis auf die Bestechlichkeit von Parteimitgliedern. – „Werden auch Sie Mietglied der Fortschrittspartei!“Rainer Kohlmayer
→Wer bestimmt hier? – Etwas, zum Beispiel ein Panzer oder ein Flugzeug, wird „seiner Bestimmung“ übergeben. Welcher „Bestimmung“? „Seiner“. Schlau gesagt! Man verlagert das Kommando ins Objekt.Rainer Kohlmayer
→Halluzinationen. – Der Junkie war so süchtig, daß er statt „Herein“ immer „Heroin“ zu hören glaubte.Rainer Kohlmayer
→Die Karrieristen des Nationalsozialismus hätten auch ohne diesen Karriere gemacht. Die Menge an persönlicher Bosheit und Dummheit der Menschen scheint immer etwa gleich groß bleiben zu müssen.Rainer Kohlmayer
→Die Vokale sind die Augen, durch die das Wort dich anblickt. Ein Wort, dem der Vokal fehlt, ist blind geworden. Ja, blnd gwrdn.Rainer Kohlmayer
→Viele Politiker standen schon vor der Wahl, zurückzutreten oder zurückzutreten. Die einen haben erst zurückgetreten und sind dann zurückgetreten. Die andern sind erst zurückgetreten und haben dann zurückgetreten.Rainer Kohlmayer
→Wo soll hier ein Druckfehler sein? – „Prof. Dr. Müller, seit vielen Jahren Lehnstuhlinhaber an unsrer Universität“.Rainer Kohlmayer
→Variante zu Friedrich Schlegel, Fragment 12. – „In dem, was man Sprachwissenschaft nennt, fehlt gewöhnlich eines von beiden: Entweder die Wissenschaft oder die Sprache.“Rainer Kohlmayer
→Meiner Meinung nach. – Das lockere Wörtchen „Meinung“ hat, im Gegensatz zur strengeren „Wahrheit“, eine dunkle Vorliebe für das Possessivpronomen. Ob zwischen „Meinung“ und „mein“ nicht gar eine inzestuöse Verbindung besteht?Rainer Kohlmayer
→Kunstmarkt. – „Mache ich Kunst gegen den Strich oder auf dem Strich“, fragt sich der Künstler gewissenhaft. Der Markt der Massengesellschaft ist egalitär genug, um beide Alternativen zu ermöglichen. Denn – es sind keine mehr.Rainer Kohlmayer
→Regietheater. – Jahrelang hat man die Klassiker interpretiert. Jetzt kommt es darauf an, sie zu verändern.Rainer Kohlmayer
→Aus der Nähe wird alles tragisch. Aus der Vogelperspektive wird alles komisch. Aus der Fernsehperspektive wird alles gleichgültig.Rainer Kohlmayer
→Konstruktionsfehler. – Das Hirn ist immer auf der Flucht. Die Beine sind evolutionäre Bremsen.Rainer Kohlmayer
→So oder so. – Es gibt zwei Richtungen der modernen Übersetzungswissenschaft. Die eine behauptet, um richtig übersetzen zu können, müsse der Mensch eine Maschine sein. Die andere: Um richtig übersetzen zu können, müsse die Maschine ein Mensch sein.Rainer Kohlmayer
→Psychiatrie. – Das schlechte Gewissen der Gesellschaft ist zahm und respektabel geworden, seit es einen schönen griechischen Namen bekommen hat.Rainer Kohlmayer
→Alles eine Frage der Routine. – Das Problem, ob Denken ohne Sprache möglich sei, ist immer noch umstritten. Dagegen wird die Tatsache, daß Sprache ohne Denken durchaus möglich ist, täglich tausendfach bewiesen.Rainer Kohlmayer
→Double. – A und B galten als gute Freunde. Nach dem Tod von A stellte sich jedoch heraus, daß B nichts als die Perücke von A war. Eine Zeitlang wurde der Perückenausweis obligatorisch.Rainer Kohlmayer
→Stilkritik. – Es gibt Formulierungen, denen man die stilistische Perücke abnehmen muß, um die Nichtigkeit des Gedankens zu beweisen.Rainer Kohlmayer
→Vom Nazismus zum Narzißmus. – Die Großväter verstecken die Vergangenheit (no past). Die Enkel verzichten auf die Zukunft (no future).Rainer Kohlmayer
→Ladendiebstahl. – Wer Ladeninhaber bestehlen will, begeht Ladendiebstahl. Wer Kunden bestehlen will, begeht Preiserhöhungen.Rainer Kohlmayer
→Kummer des Demokraten. – „Ich wäre viel höflicher, wenn da nicht diese störende Etymologie des Wortes „höflich“ wäre. Warum können „vulgär“ und „höflich“ nicht die Bedeutungen tauschen?“Rainer Kohlmayer
→Im Rampenlicht. – Die englische Sprache hat für „handeln“ und „schauspielern“ ein und dasselbe Wort: „to act“. Ein gelungenes Bonmot auf die Politiker des Fernsehzeitalters.Rainer Kohlmayer
→Dialektik. – Da er sich nach jahrelanger Forschung und Lehre nur noch in seinem Fachjargon fließend ausdrücken konnte, sah er sich gezwungen, für seine Alltagsgespräche einen Kommunikationsexperten zu Rate zu ziehen.Rainer Kohlmayer
→Orientierung. – Wer nach Wahrheit strebt, hat alle gegen sich. Wer zu den Quellen will, muß gegen den Strom schwimmen.Rainer Kohlmayer
→Paradigmenwechsel. – „Grundlegend neue und allgemeine Theorie“, verkündete ein philosophischer Leithammel. „Gemeine Theorie“, echoten die Böcke. „Meine Theorie“, bestätigten die Schafe. „Eine Theorie“, blökten die Lämmer.Rainer Kohlmayer
→Lyrikwettbewerb. – Nachwuchspoeten, um die Gunst der Kritiker und Lektoren buhlend – auf dem literarischen Babystrich.Rainer Kohlmayer
→Die beiden verstehen sich. – Zwischen „verliebt“ und „verheiratet“ besteht ein ähnlich großer Unterschied wie zwischen „kopiert“ und „kapiert“.Rainer Kohlmayer
→Literatur und Literaturvorlesung. – Dort die Rohkost, hier das Verdaute. Welches Menu empfehlen Sie mir?Rainer Kohlmayer
→Das muß in Fleisch und Blut übergehn. – Jahrelang hatte er brav sein Begriffsheu geschluckt und wiedergekäut. „Jetzt hab ich endlich Examen“, muhte er.Rainer Kohlmayer