Karl Kraus Zitate – Seite 9
→Wie unperspektivisch die Medien die Symptome einer Krankheit beschreiben! Sie passen immer auch zu den eingebildeten Krankheiten.Karl Kraus
→Ein armseliger Hohn, der sich in Interpunktionen austobt und Rufzeichen, Fragezeichen und Gedankenstriche als Peitschen, Schlingen und Spieße verwendet!Karl Kraus
→Viele haben den Wunsch, mich zu erschlagen. Viele den Wunsch, mit mir ein Plauderstündchen zu verbringen. Gegen jene schützt mich das Gesetz.Karl Kraus
→Man muß die Schriftsteller zweimal lesen, die guten und die schlechten. Die einen wird man erkennen, die andern entlarven.Karl Kraus
→Ein Gedanke ist nur dann echtbürtig, wenn man die Empfindung hat, als ertappe man sich bei einem Plagiat an sich selbst.Karl Kraus
→Männliche Phantasie übertrifft alle Wirklichkeit des Weibes, hinter der alle Wirklichkeit des Mannes zurückbleibt. Oder zeitverständlicher gesagt: Der Spekulant überbietet eine Realität, die größer ist als das Kapital.Karl Kraus
→Ich arbeite Tage und Nächte. So bleibt mir viel freie Zeit. Um ein Bild im Zimmer zu fragen, wie ihm meine Arbeit gefällt, um die Uhr zu fragen, ob sie müde ist, und die Nacht, wie sie geschlafen hat.Karl Kraus
→Wie souverän doch ein Dummkopf die Zeit behandelt! Er vertreibt sie sich oder schlägt sie tot. Und sie lässt sich das auch gefallen. Denn man hat noch nie gehört, dass die Zeit einen Dummkopf vertrieben oder totgeschlagen hat.Karl Kraus
→Die Sprache Mit heißem Herzen und Hirne naht‘ ich ihr Nacht für Nacht. Sie war eine dreiste Dirne, die ich zur Jungfrau gemacht.Karl Kraus
→Ich strebe inbrünstig nach jener seelischen Kondition, in der ich, frei von aller Verantwortung, die Dummheit der Welt als Schicksal empfinden werde.Karl Kraus
→Ein Oppositioneller sein, das heißt ja in Österreich nicht bloß: wollen, was die Regierung nicht will, sondern auch: wollen, wovon man nicht will, daß die Regierung es wolle.Karl Kraus
→Die Erotik ist von der Soziologie nicht mehr zu trennen und also auch nicht von der Ökonomie. In irgendeinem Verhältnis steht die Liebe immer zum Geld. Es muß dasein, gleichgültig, ob man es gibt oder nimmt.Karl Kraus
→Man tadelte Herrn v. H. wegen eines schlechten Satzes. Mit Recht. Denn es stellte sich heraus, daß der Satz von Jean Paul und gut war.Karl Kraus
→Meine Leser glauben, daß ich für den Tag schreibe, weil ich aus dem Tag schreibe. So muß ich warten, bis meine Sachen veraltet sind. Dann werden sie möglicherweise Aktualität erlangen.Karl Kraus
→Rascher Erfolg wirkt meistens wie ein heißes Frühjahr: er lockt tausend Blüten in kurzer Zeit hervor, aber ihm folgt nicht ein fruchtreicher Herbst.Karl Kraus
→Enthaltsamkeit rächt sich immer. Bei dem einen erzeugt sie Wimmerln, beim anderen Sexualgesetze.Karl Kraus
→Anschauliche Reiseberichte machen die Entwicklung der Unkultur vom Männnergesang zum Männergebrüll fühlbar. Je lauter der Lärm und je schlechter die Luft, desto klarer die Erkenntnis, daß in dem Kampf um das Freiheitsrecht, der Zeit ihre Phrase zu prägen, Bier fließt.Karl Kraus
→Bleiben Sie denn unbewegt vor den vielen, die jetzt sterben? Ich beweine die Überlebenden, und ihrer sind mehr.Karl Kraus
→Die Gerechtigkeit ist immer gerecht. Sie meint, daß das Recht ohnedies Recht habe; folglich gibt sie’s dem Unrecht.Karl Kraus
→Das geschriebene Wort sei die naturnotwendige Verkörperung eines Gedankens und nicht die gesellschaftsfähige Hülle einer Meinung.Karl Kraus
→Wäre Wissen eine Angelegenheit des Geistes, wie wär’s möglich, dass es durch so viele Hohlräume geht, um, ohne eine Spur seines Aufenthaltes zurückzulassen, in so viele andere Hohlräume überzugehen?Karl Kraus
→Alle größeren Dummheiten geschehen am Vormittag: der Mensch sollte erst erwachen, wenn die Amtsstunden zu Ende sind.Karl Kraus
→Wenn die Eltern schon alles aufgebaut haben, bleibt den Söhnen und Töchtern nur noch das Einreißen.Karl Kraus
→Die neuen Seelenforscher sagen, daß alles und jedes auf geschlechtliche Ursachen zurückzuführen sei. Zum Beispiel könne man ihre Methode auch als Beichtvater-Erotik erklären.Karl Kraus
→Einen Platz an der Sonne erlangen? Nicht leicht. Denn wenn er erreicht ist, ist sie untergegangen.Karl Kraus
→Es ist ein Unglück, daß in der Welt mehr Dummheit ist, als die Schlechtigkeit braucht, und mehr Schlechtigkeit, als die Dummheit erzeugt.Karl Kraus
→Die Zweiteilung des Menschengeschlechts ist von der Wissenschaft noch nicht anerkannt worden.Karl Kraus
→Die Moral ist eine venerische Krankheit. Primär heißt sie Tugend, sekundär heißt sie Langeweile, und tertiär heißt sie Syphilis.Karl Kraus
→Krank sind die meisten. Aber nur wenige wissen, daß sie sich etwas darauf einbilden können. Das sind die Psychoanalytiker.Karl Kraus
→Kein Erlebnis könnte spannender sein als die Enthüllung eines Dichters. Wenn sich allmählich die Distanz zwischen seinen echtesten Zeilen und dem Menschen aufzutun beginnt.Karl Kraus