Christian Morgenstern Zitate – Seite 12
→Mir genügt zur Zeit das Schwatzen der Seevögel, das leise Sich-Wiegen des stachlichen Strandhafers, ein wenig durch die Finger rinnender Sand und die graublaugrüne Fläche vor mir mit ihrer seltsamen Unbedingtheit.Christian Morgenstern
→Man soll sein krankes Nierenbecken nicht mit zu kalten Bieren necken. Auch sollte man bei Magenleiden den Wein aus sauren Lagen meiden.Christian Morgenstern
→Man muß nicht am Abend Briefe schreiben, sonst werden es Abendbriefe. Morgens sieht alles ganz anders aus.Christian Morgenstern
→Sie sollten gerade da, wo Sie besondere Antipathie empfinden, doppelt streng gegen sich selbst vorgehen, nicht aber Ihrer Antipathie nachlaufen wie der Student seiner Flamme.Christian Morgenstern
→O ihr, an so viel „letztem Wissen“ Leidenden, wie seid ihr oft instinktlos im Entscheidenden!Christian Morgenstern
→Machen wir uns doch von der Tyrannei der Geschichte frei. Ich sage nicht: von der Geschichte, ich sage: von der Tyrannei der Geschichte.Christian Morgenstern
→Wie vieles wird zu jeder Frist verhütet – bedachten wir schon einmal dies zu Ende? Wie viel geschieht nicht, was geschehen könnte!Christian Morgenstern
→Alle wahrhaft großen Dichtungen sind Variationen zum Schicksalsliede, seien es Maestosi, Allegri oder Scherzi.Christian Morgenstern
→Napoleon war ein Naturereignis. Ihn einen großen Schlächter schmähen heißt nichts anderes, als ein Erdbeben groben Unfug schelten oder ein Gewitter öffentliche Ruhestörung.Christian Morgenstern
→Oft überfällt dich plötzlich eine heftige Verwunderung über ein Wort: Blitzartig erhellt sich dir die völlige Willkür der Sprache, in welcher unsere Welt begriffen liegt, und somit die Willkür dieses unseres Weltbegriffes überhaupt.Christian Morgenstern
→Wir sind geborene Polizisten. Was ist Klatsch anderes als die Unterhaltung von Polizisten ohne Exekutivgewalt.Christian Morgenstern
→Die Sitte des In-den-April-Schickens ist bei uns lange nicht genug verbreitet und geübt. Der erste April müßte ein wahrer Festtag für die Nation werden, ein Dies Saturnalius – in jedem Falle ein liebenswürdigerer Feiertag als mancher offizielle.Christian Morgenstern
→Unter bürgerlich verstehe ich das, worin sich der Mensch bisher geborgen gefühlt hat. Bürgerlich ist vor allem unsere Sprache: Sie zu entbürgerlichen die vornehmste Aufgabe der Zukunft.Christian Morgenstern
→Wenn ich etwas an Christus verstehe, so ist es das: „Und er entwich vor ihnen in die Wüste.“Christian Morgenstern
→Das von selbst Verständliche wird gemeinhin am gründlichsten vergessen und am seltensten getan.Christian Morgenstern
→Ich bin ein Studienkopf, den der Schöpfer einst flüchtig skizzierte, als ihm ein Künstlerportrait im Sinne lag.Christian Morgenstern
→Problem Es flog ein Stein so weit, so weit – und hatte doch kein Federkleid! Es war ihm ja zu gönnen. Indessen rechte Seltsamkeit, Daß Steine fliegen können!Christian Morgenstern
→Ein ander Mal Drei Rehe stehn wie eine Gruppe starr – wird er vorübergehn, der fremde Narr? Er wird vorübergehn, liebreizend Bild; er ist ein Jäger nur auf SeelenwildChristian Morgenstern
→Der Weise verzichtet auf alles, worauf sich irgend verzichten läßt; denn er weiß, daß jedes Ding eine Wolke von Unfrieden um sich hat.Christian Morgenstern
→Mut, Mut, Mut, das fehlt dem sogenannten denkenden Wesen, dem Mensch – als denkendem Wesen – am meisten.Christian Morgenstern
→Ich habe oft bemerkt, daß wir uns durch allzuvieles Symbolisieren die Sprache für die Wirklichkeit untüchtig machen.Christian Morgenstern
→Von Hundert, die von „Menge“, von „Herde“ reden, gehören neunundneunzig selbst dazu.Christian Morgenstern
→Mein nächstes Buch soll „Auferstehung“ heißen, wenn mir noch eine Auferstehung beschieden sein sollte, im größten Sinne.Christian Morgenstern
→Wenn ich das Gegenwärtige nicht so liebte, wenn ich diese Liebe nicht hätte wie einen großen und sicheren Fallschirm, ich wäre längst ins Bodenlose gefallen.Christian Morgenstern
→So wie der winzige Same in die Erde fällt, um die Urpflanze zu wiederholen – und nicht nur zu wiederholen – so ist der Mensch ein Samenkorn Gottes. Die Sonne aber, die ihn reift, ist Christus.Christian Morgenstern
→Ich habe heute ein paar Blumen für dich nicht gepflückt, um dir ihr Leben mitzubringen.Christian Morgenstern
→Jeder Jüngling mag von sich denken, er sei der Messias, aber er muß nicht Messias sagen, sondern nur Messias tun.Christian Morgenstern
→Unser Bestes sind nicht unsere Werke. Das liegt oft in einem Blick von uns, in einem Gedanken, um dessentwillen wir uns selbst lieben möchten und um den doch niemand je weiß.Christian Morgenstern
→Die hohen Tannen sprechen: Wir sind nicht traurig und nicht fröhlich, wir sind fest.Christian Morgenstern
→Nur im vorbereiteten Herzen kann ein neuer Gedanke Wurzeln fassen und groß werden. Sich vorbereiten, sich zubereiten, den Acker lockern für das beste Korn, ist alles.Christian Morgenstern
→Jeder kann von Christus etwas fortnehmen. Verstehen aber wird ihn alle fünfzig Jahre – vielleicht – Einer.Christian Morgenstern
→Wenn dich jemand „vollkommen versteht“, sei gewiß, daß dich niemand vollkommener mißversteht.Christian Morgenstern
→Wie könnten wir die große Selbstkorrektur des Lebens anders als ahnungsvoll verfolgen?Christian Morgenstern
→Der kann von Liebe nicht reden, dem sie nimmer Verlust und Gewinn war – dem sie nie irgendwann der Sinn war von allem und jedem.Christian Morgenstern
→Können wir leugnen, daß wir innerlich an allem noch irgendwie teilhaben, was an Bösem außer uns geschieht?Christian Morgenstern