Karl Kraus Zitate – Seite 14
→„Zeitraum“: das ist ein Quodlibet der Ewigkeit. Man versuche einmal, sich ohne Kopfschmerzen die Raumzeit vorzustellen.Karl Kraus
→In Berlin hat einer einen geschwollenen Hals. Das kommt vom vielen Silbenschlucken. Aber der Kopf geht bei solcher Tätigkeit leer aus.Karl Kraus
→Den Mangel, daß das Genie einer Familie entstammt, kann es nur dadurch wettmachen, daß es keine hinterläßt.Karl Kraus
→Wenn ich mir die Haare schneiden lasse, so bin ich besorgt, daß der Friseur mir eine Gedankenkette durchschneidet.Karl Kraus
→Den Weltmarkt erobern: weil Händler so sprachen, mußten Krieger so handeln. Seitdem wird erobert, wenngleich nicht der Weltmarkt.Karl Kraus
→Die Prostitution des Leibes teilt mit dem Journalisten die Fähigkeit, nicht empfinden zu müssen, hat aber vor ihm die Fähigkeit voraus, empfinden zu können.Karl Kraus
→Wie närrisch gar, zu sagen, daß man, um sich von der Pest zu befreien, die Beule konfiszieren soll.Karl Kraus
→Tänzerinnen haben die Sexualität in den Beinen, Tenore im Kehlkopf. Darum täuschen sich die Frauen in den Tenoren und die Männer in den Tänzerinnen.Karl Kraus
→Die wahre Beziehung der Geschlechter ist es, wenn der Mann bekennt: Ich habe keinen andern Gedankten als dich und darum immer neue!Karl Kraus
→Denn daß Krieg sein wird, erscheint denen am wenigsten unfaßbar, welchen die Parole „Jetzt ist Krieg“ jede Ehrlosigkeit ermöglicht und gedeckt hat, aber die Mahnung „Jetzt war Krieg!“ die wohlverdiente Ruhe der Überlebenden stört.Karl Kraus
→Der Sport ist ein Sohn des Fortschritts, und er trägt schon auf eigene Faust zur Verdummung der Familie bei.Karl Kraus
→Eine umfassende Bildung ist eine gut dotierte Apotheke; aber es besteht keine Sicherheit, daß nicht für Schnupfen Zyankali gereicht wird.Karl Kraus
→Großes, Elementares muß die Kraft haben, von selber mit den Übelständen fertig zu werden.Karl Kraus
→Der Nationalismus, das ist die Liebe, die mich mit den Dummköpfen meines Landes verbindet, mit den Beleidigern meiner Sitten, und mit den Schändern meiner Sprache.Karl Kraus
→Sie verstehen ihre eigene Sprache nicht, und so würden sie es auch nicht verstehen, wenn man ihnen verriete, daß das beste Deutsch aus lauter Fremdwörtern zusammengesetzt sein könnte, weil nämlich der Sprache nichts gleichgültiger sein kann als das „Material“, aus dem sie schafft.Karl Kraus
→Eher gewöhnt sich ein Landpferd an ein Automobil, als ein Passant der Ringstraße an mich. Es sind schon viele Unglücksfälle durch Scheuwerden vorgekommen.Karl Kraus
→Es gibt Frauen, die wie der Blitz in die erotische Phantasie einschlagen, erbeben machen und die Luft des Denkens reinigen.Karl Kraus
→Das Wesen eines Diplomaten setzt sich aus zwei Vorstellungen zusammen: Dejeuner und Courtoisie. Was darüber ist, das ist von Übel.Karl Kraus
→Kann ich dafür, daß die Halluzinationen und Visionen leben und Namen haben, und zuständig sind?Karl Kraus
→Ich bitte niemand um Feuer. Ich will es keinem verdanken. In Leben, Liebe und Literatur nicht. Und rauche doch.Karl Kraus
→Ich liebe die Lebensbedingungen des Auslands nicht. Ich bin nur öfter hingegangen, um die deutsche Sprache nicht zu verlernen.Karl Kraus
→Der wahrhaft und in jedem Augenblick produktive Geist wird zur Lektüre nicht leicht anstellig sein. Er verhält sich zum Leser wie die Lokomotive zum Vergnügungsreisenden. Auch fragt man den Baum nicht, wie ihm die Landschaft gefällt.Karl Kraus
→Das Christentum hat die erotische Mahlzeit um die Vorspeise der Neugier bereichert und durch die Nachspeise der Reue verdorben.Karl Kraus
→Daß Manneskraft schwindet, ist ein verdrießlicher Zustand. Wehe aber, wenn das Weib an ihm schöpferisch wird!Karl Kraus
→Die Unterichtsverwaltungen sanieren die Orthographie, und die grammatikalische Pest greift immer mehr um sich.Karl Kraus
→Die Technik: Automobil im wahren Sinn des Wortes. Ein Ding, das sich nicht nur ohne Pferd, sondern auch ohne den Menschen fortbewegt. Nachdem der Chauffeur den Wagen angekurbelt hatte, wurde er von ihm überfahren. Nun geht es so weiter.Karl Kraus